1. Kapitel

In dem wir das erste Mal vom Schnurxelchen hören und von einem Schützling erfahren.

Es war noch dunkel im Raum. Nur ein kleiner vorwitziger Lichtstrahl hatte sich etwas zu weit vorgewagt und beleuchtete ein winzig kleines Bettchen, in dem, kaum zu erkennen, ein grüner Haarschopf unter der gelben Bettdecke hervorlugte.

Nur Momente später gesellten sich weitere Lichtstrahlen hinzu und je mehr Zeit verging, desto heller wurde es.

Da störte ein leises Räuspern die Stille im Raum. Doch so einfach ließ sich das Haarbüschel nicht aus der Ruhe bringen.

Dann wurde das Räuspern lauter. Unwillig schniefte eine, noch unter der Bettdecke verborgene, Nase.

»Guten Morgen«, ertönte eine warme Stimme und das Haarbüschel zuckte unwillkürlich zusammen. Widerwillig schob sich der dazugehörige Kopf unter der Decke hervor und öffnete zuerst das eine und dann das andere Auge.

»Ahhh«, fuhr die Stimme fort, »mein liebes Schnurxelchen ist endlich aufgewacht.«

Die einzige Antwort war ein Gähnen, sodass man fast Angst haben musste, verschluckt zu werden.

»Weißt du noch, was für ein Tag heute ist, mein Kleines?«

Und wer genau hin hörte, konnte richtig fühlen, dass die Besitzerin dieser Stimme das Schnurxelchen sehr lieb haben musste.

»Was für ein Tag heute ist? Was für ein Tag ist denn heute?«

Diese Stimme klang hell und ein bisschen verschlafen und wie eine typische Schnurxelchen-Stimme.

Hm, Moment. Vielleicht sollte ich zuerst einmal erklären, was ein Schnurxel überhaupt ist. Also, ein Schnurxel sieht uns Menschen ziemlich ähnlich, hat aber statt unserer Haut ein leicht grünlich schimmerndes Fell. Im Gesicht ist das Fell aber so fein und zart, dass man es fast nicht von unseren Gesichtern unterscheiden könnte, wenn es nicht grün schimmern würde. Wenn ihr euch die Härchen auf eurem rechten oder linken Arm ganz genau anschaut, dann wisst ihr, wie das Fell eines Schnurxels ungefähr aussieht, nur dass es eben grün ist. Die auffallend großen Augen sind ebenfalls grün und leuchten wie Smaragde, wenn die Sonne zufällig hineinscheint.

Das soll aber erst mal genügen. Ihr erfahrt bald noch viel mehr, denn die Geschichte vom kleinen Schnurxelchen hat ja gerade erst begonnen.

»Heute geht es zu deinem Schützling«, sagte die Stimme.

Jetzt war das Schnurxelchen plötzlich hellwach.

»Mein Schützling! Natürlich, mein Schützling. Vielen Dank Mama Schnurxel«, rief es aus und begann begeistert auf der Stelle auf und ab zu hüpfen. Dabei verlor es das Gleichgewicht, purzelte von seinem Bettchen und rollte direkt vor die Füße von Mama Schnurxel, die belustigt lächelte, das Schnurxelchen behutsam mit beiden Händen vom Boden aufhob und in die Arme nahm.

»So, mein Kleines«, sagte Mama Schnurxel, »erinnerst du dich noch an alle Einzelheiten?«

»Ja Mama Schnurxel«, erwiderte das Schnurxelchen mit seiner hellen Stimme, befreite sich aus der Umarmung und nahm ein kleines Bild vom Nachttisch neben seinem Bettchen in die Hand.

»Na dann leg mal los«, lächelte Mama Schnurxel und legte ihren Ich-bin-gespannt-Blick auf.

»Also«, räusperte sich das Schnurxelchen und starrte konzentriert auf das Bild in seiner Hand. »Es ist ein Mädchen und es ist gerade auf die Welt gekommen.«

»Richtig«, antwortete Mama Schnurxel, »aber weißt du auch, was der große Unterschied zwischen ihr und dir ist?«

»Ja, Mama Schnurxel. Menschen sind, wenn sie auf die Welt kommen, noch gar nicht fertig, die brauchen noch ganz lange bis sie so vollständig sind wie wir.«

»Naja«, lachte Mama Schnurxel, »so ganz vollständig bist du auch noch nicht.«

»Ja«, grummelte das Schnurxelchen, »du weißt doch, was ich meine.«

»Natürlich, mein Kleines«, bestätigte Mama Schnurxel, »ich wollte dich auch nicht unterbrechen, erzähle weiter.«

»Wenn die Menschen ganz klein sind, nennt man sie Baby und muss sie immer einwickeln, damit sie nicht auslaufen.«

Jetzt musste Mama Schnurxel laut auflachen. »Ich sehe schon, du bist prächtig vorbereitet«, warf sie ein. »Lass uns jetzt auf deine Aufgabe zu sprechen kommen.«

»Ich weiß, ich weiß«, unterbrach das Schnurxelchen ungeduldig, »als Schutzschnurxel muss ich sie beschützen und für sie da sein.«

»Und?« fragte Mama Schnurxel lang gezogen.

»Ah, genau und ihr Freund werden.«

»Und?« fragte Mama Schnurxel noch lang gezogener.

»Ich darf mich nicht erwischen lassen?«, zögerte das Schnurxelchen.

»Genau, die Erwachsenen glauben nicht an uns Schutzschnurxel und das ist auch besser so.«

»Warum ist das besser so?«

»Tja, das ist eine gute Frage«, antwortete Mama Schnurxel, »und ich muss ehrlich sein, ich weiß es leider nicht genau. Aber versuche es lieber nicht herauszufinden. Sei einfach behutsam und halte dich an das, was du gelernt hast.«

»Alles klar!« rief das Schnurxelchen sofort wieder gut gelaunt. »Wann geht es denn los?«

»Wenn du bereit bist, gleich jetzt.«

Das Schnurxelchen holte tief Luft und rief dann. »Auf die Plätze, fertig, … LOS!«

Wieder musste Mama Schnurxel lächeln. Soviel Eifer in ihrem kleinen Schnurxelchen.

Sie legte ihre Hand auf Schnurxelchens Stirn und flüsterte, während dem Schnurxelchen die Augen zufielen und eine unwiderstehliche Müdigkeit nach ihm griff.

»Ich hab´ dich lieb, mein Schnurxelchen.«

weiter zum 2. Kapitel

In dem das Schnurxelchen eine überraschende Entdeckung macht.
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